Der Robo Advisor Markt
Robo Advisor: „Von Robo-Advisors aus den USA können wir viel lernen“ – von Prof. Dr. Dirk Söhnholz, Geschäftsführer der Diversifikator GmbH und Betreiber des Blogs „Regelbasiert-optimierungsfreie Geldanlage“
„Robo Advisor Upgrade“ ist in der Juni Ausgabe des „Financial Services Observers“ von Morningstar erschienen. Der Beitrag enthält viele Informationen, die für deutsche Robo-Advisors, Banken und traditionelle Vermögensverwalter interessant sein können.
„Takeaways“ (S.2-5) und meine entsprechenden Einschätzungen für Deutschland:
1. „Our dire assessment of the original robo-advisor business models has proved correct. They have failed to disrupt investment services incumbents and are still unprofitable.Many have sold themselves to established firms after realizing they can’t count on investors giving them money.“
Auch in Deutschland gibt es keine Disruption und keine profitablen endkundenorientierten (B2C) Robo-Advisors. Abwicklungen und Verkäufe wie Easyfolio an Hauck und Aufhäuser sind bisher noch sehr selten. Mehrere der zahlreichen unabhängigen B2C Robo-Advisor werden wieder vom Markt verschwinden, da etablierte Finanzdienstleister lieber eigene Robo-Advisors aufbauen werden als welche zu kaufen. Dabei können ihnen viel schneller profitabel werdende B2B Anbietern wie United Signals, Fincite, Elinvar und Weadvise helfen.
2. „New robo-advisor business models and strategies influencing the key profitability determinants of client acquisition costs, ongoing operating costs, and revenue yield on client assets give us confidence that select robo-advisors will be profitable.“
Ich bin sehr skeptisch, ob es mehr als einem unabhängigen deutschen B2C Robo-Advisor gelingen wird, profitabel zu werden. Auch der Marktführer Scalable wächst vor allem durch die Kooperation mit ING. Andere potentielle leistungsfähige Robo-Kooperationspartner haben schon oder werden noch eigene Robo-Advisors starten.
3. „Moaty financial services firms, like Charles Schwab and Vanguard, have leapfrogged early robo-advisors with their digital advice offerings.“
Die – allerdings noch recht jungen – Robo-Advisors traditioneller Finanzdienstleister sind in Deutschland bisher noch nicht erfolgreich. Das liegt an den inhaltlich meist wenig innovativen Angeboten, den oft hohen Gebühren und/oder an der Angst vor Kannibalisierungen des traditionellen Geschäftes (siehe dazu Charles Schwab Beispiel auf S. 18ff). Wenn sie wollten, könnten traditionelle deutsche Anbieter allerdings attraktive Robo-Advisor-Services anbieten. Besonders für ETF-Anbieter und auf Privatkunden ausgerichtete Depotbanken und Broker können eigene Robo-Advisors lukrativ sein. Das gilt auch für Vermögensverwalter, die bisher noch nicht viel Geschäft in Deutschland machen.
4. „Robo-advisors have three life-or-death choices: grow slowly and hope investors keep funding them, partner with an established financial services firm, or grow quickly with high-cost advertising.“
Ich bin sehr skeptisch, ob es unabhängigen Robo-Advisors gelingen wird, zusätzliches Kapital zu akquirieren. Auch Partnering sehe ich kritisch: Potentielle große Vertriebspartner haben bereits eigene Robo-Advisors oder können schnell und günstig eigene Robo-Advisors etablieren. Und für selbstständiges starkes Wachstum fehlt es unabhängigen deutschen Robo-Advisors an Kapital.
5. „According to PitchBook Data, Betterment and Wealthfront have both raised capital in the last year. We reasonably conclude that they’ve eaten through $100 million-$200 million of capital to reach $10 billion of client assets.“
Selbst wenn man annimmt, dass man in Deutschland weniger Kapital braucht, wird es vermutlich nur einem unabhängigen Robo-Advisor gelingen, genug Kapital bis zur Profitabilität zu akquirieren.
6. „We still assess that advertising cost per account acquisition at robo-advisors is approximately $300 per gross new account and $1,000 per net new account. At their presumably low operating margin after they become profitable, the payback period on advertising costs can be more than a decade.“
Die deutschen Kundenakquisitionskosten sind vermutlich nicht viel anders als die amerikanischen. Die deutschen Preise für Robo-Services sind zwar erheblich höher als in den USA, allerdings ergibt sich Umsatz aus Preis*Menge und bei hohen Preisen kann man keinen hohen Absatz erwarten, so dass auch in Deutschland mit vielen Jahren ohne Profit gerechnet werden muss.
7. „Robo-advisors can use four strategies to lower their cost of client asset acquisition, but each has drawbacks: Advertising, 3rd party partnering, cross-sell to existing customers, lead generation product, higher account balance.“
Für Deutschland gilt:
- Effiziente Werbung ist sehr teuer.
- Wenn es nicht gelingt, einzelne der zahlreichen Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken als Kunden zu gewinnen, gibt es nur relativ wenige geeignete Vertriebspartner, die vermutlich eine hohe Kompensation für ihre Partnerschaft verlangen.
- Cross-Selling ist schwierig, weil Robo-Advisors nur wenige Bestandskunden haben.
- Aus dem Grund ist auch das Potential für den Verkauf eigener Lead Generation Produkte wenig erfolgversprechend.
Das Risk-Parity Produkt von Wealthfront ist anfangs auf viel Kritik gestoßen und wird jetzt mit einer recht geringen Marge angeboten. In Deutschland sehe ich auch für das Angebot von kostenpflichtigen Krediten durch Robo-Advisors zur Steigerung der Anlagevolumina und Tax-Loss Harvesting Services nur wenig Potential.
Auch der Versuch, höhere durchschnittliche Volumina pro Kunde zu akquirieren, ist nur schwer umzusetzen: Deutsche Robo-Advisors haben nur wenige Bestandskunden und ihr Produkt- bzw. Serviceangebot ist sehr beschränkt. Nur das Private Equity Angebot von Liqid scheint bisher erfolgreich zu sein.
Deutsche Robo-Advisors können zwar zusätzliche automatisierte Services wie Kontoaggregation und Finanzplanung anbieten, aber auch das benötigt erst einmal Investments, die nur schwer zu beschaffen sind. In Bezug auf jeden dieser Punkte sind traditionelle Anbieter von Robo-Advisor Services im Vorteil gegenüber unabhängigen Konkurrenten.
8. „Robo-advisors need to build a high-operating-leverage business model to be profitable. We believe digital advice firms will spur growth in salaried financial consultants, as opposed to the traditional financial advisor compensation model of a percentage of revenue generated, to produce operating leverage.“
Auch in Deutschland setzt sich die Erkenntnis durch, dass hybriden Angeboten, also die Kombination von Robo-Advisors mit persönlicher Beratung, die Zukunft gehört. Unabhängige deutsche Robo-Advisors werden sich eigene Berater aber kaum leisten können. Eher werden Banken und unabhängige Vermögensverwalter zusätzlich Robo-Advice anbieten, um Neukunden zu akquirieren und Bestandskunden zu halten. Grundsätzlich sind Robo-Advisors auch für Honoraberater attraktiv, von denen gibt es aber nur wenige in Deutschland.
9. „Expanded service offerings and higher revenue yields dramatically reduce the operating expense ratio and client asset hurdles to reach the goal of profitability. We estimate the break-even point for robo- advisors that sustain a 50-basis-point revenue yield could be $15 billion-$25 billion of client assets, 38%- 63% lower than the break-even point for a robo-advisor that charges 25 basis points.“
Interessanterweise haben einige US Robo-Advisors ihre Gebühren tendenziell erhöht (S. 29). Aber selbst wenn man annimmt, dass deutsche Robo-Advisors 75 Basispunkte einnehmen, läge der Break-Even wohl immer noch erheblich über 5 Milliarden Anlagevermögen. Davon ist auch der aktuelle deutsche Marktführer noch weit entfernt.
10. „Four revenue-enhancing strategies at robo-advisors are charging more, upselling clients from a robo- advisor product to a digital advice offering, cross-selling additional products and services, and utilizing proprietary products in investment portfolios.“
In Deutschland werden die derzeit hohen Robo-Advice Preise eher sinken, von unabhängigen Anbietern wird kaum eigene persönliche Beratung angeboten werden können, und das cross-selling Potential ist extrem gering. Vielleicht werden eigene Produkte kommen, mit denen man dann aber mit etablierten Anbietern in Konkurrenz tritt. Das wird kaum ein unabhängiger Robo-Advisor erfolgreich schaffen.
WEITERE ANMERKUNGEN:
Wenige attraktive Strategien von US Robo-Advisor für deutsche Anbieter
Schwab, Vanguard und Wealthfront haben Einnahmen durch eigene Produkte (S. 5). Vergleichbares gilt, bei viel höheren Preisen, für den Robo-Advisor der Sparkassen. Die Volks- und Raiffeisenbanken wollen über MeinInvest Provisionseinnahmen durch den Verkauf fremdem Fonds generieren. Dieser Weg steht grundsätzlich auch unabhängigen Anbietern wie moneymeets offen. Allerdings stehen sie damit in Konkurrenz zu Robo-Advisors, die günstige ETFs nutzen und solchen, die direkt in einzelne Wertpapiere investieren. Ich nehme an, dass – unabhängig vom Portfolioinhalt – dauerhaft nur etablierte Anbieter erfolgreich mit Robo-Service-Angeboten sein werden.
Schwab und Wealthfront haben zudem dadurch Einnahmen, das Anleger geringe bzw. keine Zinsen auf ihre nicht angelegten Einlagen erhalten (S. 5). Da in Deutschland solche Einlagen durch Negativzinsen Geld kosten, ist das keine attraktive Idee für deutsche Anbieter.
Schwab und Betterment sind bisher die einzigen US Anbieter mit Einnahmen durch persönliche Beratung (S. 5). In Deutschland gelingt das bisher meines Wissens nur Quirion.
Über das Schicksal der Dutzenden von anderen in den letzten Jahren gestarteten US Robo-Advisors wird im Report nichts geschrieben. Es ist zu vermuten, das die meisten von diesen Startups inzwischen ihr Geschäft eingestellt haben oder billig an kleinere traditionelle Anbieter verkauft wurden.
Wenig erfolgreiche Akquisitionen
Der Report nennt auf Seite 10 vier große Käufe von Robo-Advisors durch traditionelle Anbieter: Learnvest durch Northwestern Mutual, FutureAdvisor durch BlackRock, Jemstep durch Invesco und RobustWealth durch Principal Financial Group. Meines Wissens hat keine dieser Akquisitionen bisher zu nennenswerten Erfolgen geführt. Auch Easyfolio scheint seit dem Kauf durch Hauck und Aufhäuser nicht besonders stark gewachsen zu sein.
Chancen durch neue Services und Produkte
Erhebliches Potential erwarte ich für Finanzplanungsservices (siehe auch Report Seite 29), die sich aber wohl nur für einfach strukturierte und damit eher niedrigere Vermögen gut automatisieren lassen und die auf deutsche Datenschutzbedenken stoßen werden. Ausserdem gibt es Pensions-Robos, die Altersvorsorgeleistungen automatisiert anbieten, bisher aber erst mit geringem Erfolg.
Potential sehe ich auch bei neuen Produkten: Meine Firma Diversifikator hat etliche regelbasierte und damit günstige und besonders gut online geeignete Portfolios auch für andere Anbieter (B2B) entwickelt. Dabei liegt ein besondere Schwerpunkt auf ESG (Environment, Social Governance) Angeboten, die auch „offline“ bisher nur in geringem Umfang angeboten werden.
INTERESSANTE LINKS:
Weiterführend siehe z.B. „Robo Advisors: 11 Thesen zu ihrer Zukunft“.
Mein Buch zum Thema findet ihr hier: „Der digitale Wandel in der Finanzbranche“
Mein Vergleichsportal für Robo Advisor findet ihr hier: www.robovergleich.de
Robo Advisor im Test: Testvergleich Robo Advisor